1966 Shelby GT 350 H

Ab 1965 baute der Ex-Hühnerzüchter und Rennfahrer Caroll Shelby im Auftrag von Ford Fastback-Mustangs zu Touren- Rennwagen um. Um eine Rennzulassung als Serienwagen zu erreichen, musste eine gewisse Anzahl dieser Autos gebaut und regulär verkauft werden.Diese Spezial-Mustangs sind als Shelby GT350 in die Geschichte eingegangen.
Die US-Autovermietung Hertz unterhielt zu Beginn der 60er Jahre einen eigenen Kundenclub; den „Hertz Sports Car Club“. Dem Autofan oder sportlichen Geschäftsmann auf Reisen sollte die Möglichkeit geboten werden, etwas aufregenderes als eine viertürigen Limousine in Sparausstattung mieten zu können. Etwa 200 Exemplare des Chevrolet Corvette standen damals an ausgesuchten Stationen wie Flughäfen etc. zur Verfügung. Die Aufnahmeprüfung in den Sports Car Club war allerdings nicht gerade streng: Ein Alter von 25 Jahren und eine kurze „Testfahrt“ auf dem Parkplatz genügten, um aufgenommen zu werden.
1965 übernahm Ford die Federführung bei Hertz. Das bedeutete natürlich das Aus für die Corvette. Gleichzeitig suchte man bei Shelby American Inc. in Los Angeles nach Möglichkeiten, den Absatz an GT350 zu steigern. Ermuntert von Ford, traf man sich im September 1965 mit Vertretern von Hertz, um der Firma den Erwerb von Shelby-Mustangs als Mietwagen schmackhaft zu machen. Die Idee fand Anklang in der Chefetage und man stellte Shelby einen Auftrag von rund 100 Autos in Aussicht. Um das Geschäft perfekt zu machen verlangte man nach einem Testwagen, der Mitte Oktober nach New York geflogen wurde.
Der Standard-Shelby GT350 wies gegenüber dem Mustang folgende Modifikationen auf: Verstärktes Fahrwerk, zusätzliche Schubstreben an der Hinterachse, modifizierter 289er-Motor mit 306 PS, Fächerkrümmer, verstärkte Rennbremsen, Drehzahlmesser, Polyestermotorhaube mit Hutze und seitliche Kühlhutzen. Im Grill fehlte der „Pony-Corral“, breitere Felgen wurden montiert und den Schwellen entlang verlief ein spezieller GT-Streifen mit GT350- Schriftzug.
Nach den ersten Tests wollte Hertz seine Wagen in Schwarz lackiert sehen, mit goldenen Doppelstreifen (Le Mans Strips) übers Dach und entsprechenden GT-Streifen seitlich. Die Bezeichnung sollte geändert werden in GT350H; (H für Hertz). Die Ausstattung sollte um ein Radio ergänzt werden. Der Test-Shelby wurde nach Los Angeles zurückverfrachtet und entsprechend modifiziert. Während dies geschah, verlangte Hertz nach einem zweiten Prototypen, der mit Automatikgetriebe ausgerüstet sein sollte. Beide Autos wurden nach New York geflogen, fanden Gefallen und am 23. November 1965 ging die erste Bestellung bei Shelby ein: 85 handgeschaltete und 15 Automatik-Autos, alle in schwarz/gold. Bereits zwei Wochen später erfolgte ein weiterer Auftrag: 200 Wagen in diversen Farben, aber alle mit GT350H-Beschriftung.
Ab Ende November wurde bei Shelby produziert, was die Werkstätten hergaben. Hertz sorgte mit einer grossangelegten Werbekampagne dafür, dass jederman von dieser Marketing-Idee erfuhr. Für $ 17 am Tag (oder $ 70 in der Woche) plus 17 Cents je Kilometer konnte jedermann einen Rennwagen mieten. Kurz vor Weihnachten stockte Hertz seine Bestellung abermals auf. Total 1000 Shelbys sollten es jetzt sein.
Kaum waren die ersten Wagen an die Hertz-Stationen ausgeliefert, gingen bei Shelby American allerdings Beschwerden über fehlerhafte Bre das Pedal traten. Mehr als einer soll deshalb die Front kaltverformt haben. Shelby schickte sofort einen Mitarbeiter los, der das Problem analysieren sollte. Schnell stellte sich heraus, dass die Sinter-Rennbremsbeläge erst ric htig arbeiteten, wenn sie sich etwas erwärmt hatten. Shelbys Leute versicherten Hertz, dass die Bremsen sehr gut waren – für einen Rennwagen. Aber es half alles nichts. Neuerliche Beschwerden bauschten das Thema bald überproportional auf. Eine Lösung musste her.msen ein. Es schien so, als ob die Beläge nicht richtig zupackten, wenn die Mieter mit den Autos vom Platz fuhren; egal wie fest sie auch auf
Der erste Gedanke war, einen Bremskraftverstärker einzubauen. Ein geeignetes Modell konnte aber nirgends gefunden werden. Im Ford-Werk Dearborn wurden deshalb im Februar 1966 Bremsversuche angestellt. Die Hertz-Leute testen verschiedene Konfigurationen, bestanden aber auf einem System mit Bremskraftverstärker. Shelbys Leute klapperten nochmals mögliche Lieferanten ab. Schliesslich wurden sie fündig bei einem Hersteller für Landmaschinen- und Industriefahrzeugzubehör. Weil es aber immer wieder Lieferengpässe und Qualitätsschwankungen gab, wurden nicht alle Shelbys mit diesen Teilen ausgerüstet. Immerhin gab es einen Aufkleber ans Armaturenbrett, der den Fahrer auf den erhöhten Bremspedaldruck hinwies.
Die Gesamtbestellung über 1000 Wagen wurde noch mehrmals umgestellt. Im Januar 1966 ordnete Hertz an, dass alle noch zu liefernden Wagen in schwarz/gold lackiert werden sollten. Somit waren nur die Wagen 101 bis 200 in anderen Farben ausgeliefert worden. Des weiteren sollten alle noch verbleibenden Shelbys mit Automatikgetrieben ausgerüstet werden. Man hatte festgestellt, dass die Autos in der San Franzisco Gegend dauernd mit durchgeschliffenen Kupplungen in den Werkstätten standen und kein Geld einbrachten. Die ungeübten Fahrer verheizten eine Kupplung nach der anderen in den steilen Strassen.
Apropos Geld einbringen: Viel verdienen konnte Hertz nicht an den Shelbys. Gerüchte sind überliefert, wonach mehr als ein Wagen übers Wochenende vermietet wurde und in dieser Zeit auf der Rennstrecke auftauchte. Verschiedene Leute sollen auch die Motoren übers Wochenende ausgebaut haben und damit im eigenen Wagen Rennen gefahren sein. In einem Fall sollen sogar Spuren von einem Ueberrollkäfig gefunden worden sein, der übers Wochenende eingeschweisst worden war. Die grossen Vergaser waren beliebte Souveniers und wurden durch die Kundschaft gegen kleinere ausgetauscht.
Weitere Kosten verursachten angezogene Handbremsen. Verschiedene Fahrer vergassen beim Abfahren die Feststellbremse zu lösen. Weil die Shelbys genügend Power hatten merkten die Fahrer nicht, dass etwas nicht stimmte. Dies führte zu Schäden an den hinteren Bremsen und den Achsen. Hertz forderte den Einbau eines Warnlämpchens. Shelby fand auch tatsächlich einen entsprechenden Schalter. Der Lieferant sah sich aber nicht im Stande, vom Fleck weg 1000 Stück davon liefern zu können. Weil sich das Modelljahr sowieso bald dem Ende zuneigte und die ersten Wagen wieder abgestossen wurden, verlief die Aktion im Sande.
Am Ende des Modelljahres (August 1966) wurden die Wagen von Ford zu einem bereits vorher vereinbarten Preis zurückgenommen. Die Wagen wurden aufbereitet und durch das reguläre Ford Händlernetz als Occasionen mit grossem Einschlag an Private verkauft. Bei Shelby versuchte man, Hertz eine Fortsetzung des Programms mit dem 1967er Modell schmackhaft zu machen. Bei Hertz allerdings sah man mehr negative als positive Punkte und legte das Projekt „Rent a Racer“ vorläufig zu den Akten. Erst ab 1968 kaufte man wieder eine kleine Anzahl Standard-Shelbys ohne spezielle Kriegsbemalung für die Mietwagenflotte.
Nach dem Verkauf in private Hände wurden die Hertz-Shelbys von Gebrauchtwagenhändlern gemieden wie die Pest und nur mit Handschuhen angefasst. Die Autos hatten den Ruf, heruntergerittene, verlotterte, alte Mustangs zu sein. Dieser absolute Tiefstpunkt in der Karriere der Hertz-Shelbys dauerte bis gegen Ende der 70er Jahre. Die Preise für gut erhaltene Exemplare lagen um die $2000 (Ein nagelneuer Mustang II mit guter Ausstattung kostete zu dieser Zeit das Dreifache). Danach wendete sich das Blatt. Der Liebhaberwert die ersten Mustangs und mit ihnen der Shelbys wurde erkannt und startete eine steile Preiskurve nach oben. Bereits 1982 wurden für Top-Exemplare um die $15000 bezahlt. Heutzutage bringt so ein Hertz-Shelby gut und gerne $35000, obwohl die Produktionszahl von 1000 Wagen etwa 40 % der gesamten Shelby-Produktion von 1966 ausmachte.
Autor: Iso Schwager