Im Mustang wurden im Laufe der Jahre die verschiedensten Triebwerke verbaut. Vom ökonomischen aber asthmatischen 6-Zylinder bis zum Big Block V8 im Renntrimm war alles zu haben. Alle Triebwerke sind grundsätzlich langlebig – entsprechende Fahrweise und Pflege vorausgesetzt. Der Kenner spricht beim Hubraum übrigens von Cubic Inches statt der bei uns üblichen Liter. Ein cubic inch entspricht 16.38 ccm; ein 289er Motor hat somit 4.7 Liter Hubraum (289 x 16.38 ccm = 4733 ccm)
Reihen-6-Zylinder 170, 200, 250
Der 6-Zylinder war der Basismotor des Mustangs. Er wurde in ca. 30 % aller Fahrzeuge eingebaut. Die Motoren sind zuverlässig, verbrauchen vergleichsweise wenig Benzin; sind aber auch etwas schwach auf der Brust. Damals genau der richtige Motor für ein Alltags-Posti-Auto und für Oma’s Fahrt zur Kirche. Richtige Pflege und regelmässige Wartung vorausgesetzt, erreichen sie zum Teil astronomische Laufleistungen. Allenfalls die Vergaser nerven mit Schluckauf und ausgeschlagene Verteilerwellen sorgen für unrunden Leerlauf. Die Ansaugkollektoren bilden mit dem Zylinderkopf eine komplette Einheit aus Grauguss. Die Tuningmöglichkeiten sind deshalb beschränkt. Im Alter bilden sich in den Ansaugkanälen gerne Risse, durch die falsche Luft angesogen wird, was sich wiederum negativ auf die Laufruhe auswirkt. Gute gebrauchte Zylinderköpfe werden langsam aber sich rar.
V8 260, 289, 289Hipo, 302, 302 Boss, 351W (Windsor-Familie)
Auch die Small Block V8-Motoren gelten als sehr zuverlässig. Der 289er ist der Mustang-Motor schlechthin. Später wurde er ersetzt durch den 302er. Dieser Motor wurde millionenfach gebaut und war in jedem Ford- Taxi zu finden. Ableger davon, in verschiedenen Stufen modifiziert und mit Einspritzanlage versehen, wurden bis 1995 im Mustang verbaut. Gelegentlich treten thermische Probleme auf, die ihre Ursache aber meistens in einem maroden oder “kaputtreparierten” Kühlsystem haben. Durch die lange Bauzeit und die enormen Stückzahlen sind Ersatzteile an jeder Ecke erhältlich. Ansaugbrücke aus Alu gefällig zwecks weniger Gewicht und ein paar Pferdchen mehr? Optimierte Zylinderköpfe, ebenfalls aus Alu gefertigt und ausgerüstet für den Bleifreibetrieb? Kein Problem – verschiedene Anbieter streiten sich um Marktanteile. Die Motoren sind relativ drehfreundig – haben aber etwas wenig Oel im Schmierkreislauf. Dieses sollte deshalb umso öfters gewechselt werden. Ein richtig eingestellter 289er, bestückt mit dem original Autolite Vergaser, sollte sich bei angemessener Fahrweise nicht mehr als ca.12 bis 14 Liter Sprit je100 km gönnen. Einen Sonderfall bilden die 289er High Performance und 302 Boss Triebwerke. Im Gegensatz zu den zahmeren Varianten mit hydraulischem Ventilspielausgleich wurde hier ein mechanischer Ventiltrieb verbaut. Das Ventilspiel muss unbedingt regelmässig überprüft werden, sonst sind teure Folgeschäden zu erwarten. Diese Motoren sind aber extrem selten und kaum auf dem Markt anzutreffen.
V8 390, 427, 428 PI, 428 CJ/SCJ (FE-Familie)
Wesentlich heikler sind die Big Block Motoren der FE-Familie. Der 390er und die 427/428er müssen ab Werk mit lächerlichen 5 Litern Oel auskommen. Das mag genug sein für amerikanische Cruising-Verhältnisse, reicht für unsere Fahrsitten aber bei weitem nicht aus. Die Triebwerke sind nicht vollgasfest, weshalb sie reihenweise auf den hiesigen Autobahnen verendeten.1970 montierte Ford CH einen zusätzlichen Oelkühler sowie eine grössere Oelwanne. Ausserdem wurde die Hinterachsübersetzung geändert, damit man das Drehzahlniveau etwas besser im Griff hatte. Heute wird damit zwar weniger gerast, trotzdem sind regelmässige Oelwechsel absolut überlebenswichtig. Der Motor lässt sich umbauen, damit der Oelhaushalt stimmt. Das ist aber sehr aufwendig und teuer. Auch für diese Motorenfamilie sind noch reichlich Ersatz- und Tuningteile lieferbar. Allerdings ist das Preisniveau deutlich höher als bei den Small Blocks. Selbst ein gut eingestellter Big Block ist unter 18 Litern/100km kaum zu bewegen. Eine besondere Herausforderung stellt der Wechsel der Zündkerzen dar. Die beengten Verhältnisse im Motorraum lassen einen über Sinn und Zweck dieses Graugussklotzes nachdenken. Das enorme Gewicht auf der Vorderachse ist ausserdem dem Kurvenhandling nicht sonderlich zuträglich. Die Entschädigung aller Mühen und Kosten erfolgt aber beim ersten herzhaften Tritt aufs Gaspedal, der durch aussergewöhnliche Beschleunigung belohnt wird. Wer allerdings heute noch glaubt, mit einem Big Block alle anderen Verkehrsteilnehmer von der Strasse fegen zu können, vergisst die 35 Jahre Fortschritt im Motoren- und Fahrwerksbau und wird spätestens in der ersten Kurve subito eines Besseren belehrt.
V8 351C, 351 Boss (Cleveland)
Benannt nach dem Standort des Montagewerkes, wurde die brandneue Konstruktion erstmals 1970 im Mustang eingesetzt, wo der 351W abgelöst wurde. Dieser Motor braucht Drehzahlen und wirkt aus dem Stand etwas träge. Verschlissene Kolbenringe sorgen des öfteren für erhöhten Oelverbrauch. Nach einer anschliessenden Revision neigt der Motorblock gerne zu Rissbildungen in den Zylinderwänden. Trotzdem ist auch dieser Motor nicht speziell anfällig. Die Guss-Auspuffkrümmer reissen ebenfalls gerne ein. Irgendwann können sie nicht mehr geschweisst werden und rarer Ersatz wird fällig. Weil diese Motoren identisch sind mit den Triebwerken, die in DeTomaso Fahrzeugen verbaut waren, wurden etliche der Motoren in Panteras & Co. verheizt.
429 CJ/SCJ, 429 Boss (385er Familie)
Ebenfalls eine Neukonstruktion, war der 429er CJ/SCJ nur 1971 in wenigen Exemplaren im Mustang verbaut. Solide aber schwer konstruiert, gehört er zu den leistungsfähigsten Triebwerken, die je in einen Mustang eingebaut wurden. Spezifische Schwachstellen sind nicht bekannt, dafür sind die gebauten Stückzahlen zu gering. Eine grössere Variante dieses Motors, der 460er, trieb sämtliche Ford-, Lincoln- und Mercury- Schlachtschiffe der 70er Jahre sowie Pick-Ups und Vans an. Der Motor bildet heute noch die Basis vieler Wettbewerbsmotoren im Drag Racing und Teile sind aus den Regalen des Ford Motorsport Programms lieferbar. Eine eigene Welt ist der 429er Boss. Mit seinen speziellen hemisphärischen Brennräumen samt entsprechenden Zylinderköpfen auf den ersten Blick erkennbar, wurden nur wenige 100 Exemplare in speziell umgebauten Boss 429 Mustangs der Jahre 1969 und 1970 verbaut. Teile sind extrem rar und astronomisch teuer. Der Motor ist eine kastrierte Rennmaschine, die im Serientrimm im Alltagsbetrieb durch andauernde Defekte nerven kann. Die Chancen, in der Schweiz auf so ein Exemplar zu treffen sind allerdings gering – nur gerade ein entsprechendes Auto ist bekannt!
Die Triebwerke sind anfällig auf Oellecks. Tropfende Ventildeckeldichtungen und Lecks an den Uebergängen vom Block zur Ansaugbrücke gehören noch zu den angenehmeren Erscheinungen. Oelwannendichtungen und der vordere Dichtring der Kurbelwelle verlangen schon nach mehr Arbeit. Falls es den ebenfalls nicht sehr langlebigen hinteren Dichtring der Kurbelwelle erwischt, muss der gesamte Kurbeltrieb demontiert werden, was meist den Ausbau des Motors erfordert. Abhilfe schafft nur sorgfältiges Arbeiten beim Abdichten, am besten im Zusammenhang mit einer Motorrevision. Dann bleibt das Triebwerk für einige Jahre trocken, bevor das Spiel von neuem beginnt. Auspuffkrümmerleckagen sind ebenfalls sehr verbreitet. Sie sorgten schon vor 40 Jahren für zahlreiche Garantiefälle zulasten von Ford. Die Reparatur, speziell bei einem Big Block, ist ein Job für Fingerakrobaten und geht kaum ohne Fluchen ab. Im Alter zerbröseln gelegentlich die Ventilschaftdichtungen. Beim Gaswegnehmen und Starten macht sich das durch bläulich/weissen Oelnebel aus dem Auspuff bemerkbar. Ein Oelverbrauch von einem Liter je 1000 km ist tolerierbar. Sollten sich allerdings drei Liter und mehr in Rauch auflösen, muss von gebrochenen/verschlissenen Kolbenringen ausgegangen werden = komplette Motorrevision. Ebenfalls berüchtigt sind die Ford-Novotex Steuerketten-Zahnräder des Nockenwellen-/Verteilerantriebs. Der Kunststoffbelag auf dem Aluzahnrad, der für ruhigen Lauf sorgen sollte, löst sich mit den Jahren in seine Bestandteile auf, worauf die Steuerkette überspringen kann. Der Motor verstummt augenblicklich, nicht aber ohne zuvor noch schnell die Ventile krummgeschlagen zu haben, was wiederum eine Zylinderkopfrevision nach sich zieht. Rechtzeitiger Ersatz mit höherwertigem Material ist deshalb wichtig. Das Problem relativiert sich aber zusehends, da nicht mehr allzuviele Motoren mit dem ersten Radsatz unterwegs sind.
Was ist ein Big Block/ Small Block?
Obwohl für unsere Verhältnisse keiner der V8-Motoren wirklich klein ist, unterscheiden die Amerikaner zwischen Small Block und Big Block. Die Grenze ist ziemlich willkürlich gezogen und qualifiziert eher die optischen Ausmasse einer Motorenkonstruktion als den effektiven Hubraum. Im Falle des Mustangs liegt die Grenze für den Small Block bei den 351er Motoren. Alles was grösser ist, gilt als Big Block. (Ausnahme Stroker-Motoren)
Kaum ein anderes Detail findet soviel Beachtung wie der Motor. Für den Fan ist wichtig, dass das fabrikmässig vorgesehene Aggregat installiert ist (lässt sich anhand der Fahrgestellnummer verifizieren). Viele Autos haben im Laufe der Jahre ihren Originalmotor durch Motorschäden eingebüsst. An Austauschmaschinen wurde mitunter verbaut, was greif- und bezahlbar war und in den Motorraum passte. Besonders hart hat es in dieser Hinsicht die Autos mit 428er CJ-Motoren getroffen (siehe weiter oben). Äusserlich sehen sich ein 428er Cobra Jet und ein 390er zum Verwechseln ähnlich. Letzterer ist aber weitaus häufiger anzutreffen… Wem der korrekte Motor wichtig ist, der muss sich vertieft mit dem Thema auseinandersetzen. Bei einem Shelby ist der korrekte rare Motor “matchentscheidend”. Auch Käufer von 289er Hipo, 302/351 Boss-Fahrzeugen müssen auf der Hut sein! Ein falscher Motor zieht einen empfindlichen Abzug beim Wiederverkaufspreis nach sich!